Facebook erfreut sich als Werbeplattform bei Firmen großer Beliebtheit. Immer häufiger werden jedoch gewerbliche Facebookseiten wegen fehlender oder fehlerhafter Anbieterkennzeichnung (§ 5 TMG) von Mitbewerbern kostenpflichtig abgemahnt.
Schlagzeilen hat 2012/2013 die Firma Revolutive Systems GmbH (früher: Binary Services GmbH) aus Regenstauf verursacht. Revolutive Systems GmbH hat innerhalb von wenigen Tagen im August 2012 (08.08.12 bis 16.08.12) deutschlandweit mindestens 199 Abmahnungen gegen vermeintliche Mitbewerber im IT-Bereich wegen Verletzung der Impressumsverpflichtung gemäß § 5 TMG ausgesprochen. Der Vorwurf beruhte darauf, dass auf den Facebookauftritten der Mitbewerber kein den Vorgaben des § 5 TMG entsprechendes Impressum enthalten war. Insbesondere sollten Angaben zum Geschäftsführer bei juristischen Personen und weitere Handelsregisterdaten fehlte. Soweit diese Angaben nach mehreren Links auf der Homepage des Mitbewerbers aufgerufen werden konnten, entsprach dies nach Ansicht der abmahnenden Firma nicht den Vorgaben des § 5 TMG, wonach die Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten seien.
Wie mehrere Gerichte zwischenzeitlich festgestellt haben muss auch auf geschäftsmäßigen Auftritten in sozialen Medien, wie Facebook ein Impressum (Anbieterkennzeichnung nach § 5 TMG - Allgemeine Informationspflichten) vorhanden sein.
Im Fall Revolutive Systems GmbH hatte die abmahnende Firma eigens ein Suchprogramm entwickelt, und massenhaft systematisch das Internet nach Rechtsverstößen durchsucht. Nach eigenen Angaben hat Revolutive Systems dabei 3,5 Millionen Rechtsverstöße im Internet, davon 30.000 Verstöße bei Facebook festgestellt. Mehrere hundert Mitbewerber wurde dann durch Rechtsanwalt Kallert kostenpflichtig abgemahnt und zur Unterlassung aufgefordert. Der Gegenstandswert für die Abmahnungen wurde mit 3.000.- € beziffert.
In zwei Verfahren vor dem Landgericht Regensburg, in denen ich als Unterbevollmächtigter die Beklagten vertreten haben, hat das LG Regensburg eine Rechtsmißbräuchlichkeit der Abmahnungen in erster Instanz abgelehnt (LG Regensburg, Urteil vom 31.01.2013 - 1 HK O 1884/12) und die Beklagten zur Unterlassung und Zahlung von 265,70 EUR an vorgerichtlichen Anwaltskosten verurteilt.
Das Gericht hat in seinem Urteil ausgeführt, dass das Fehlen der Angaben nach § 5 TMG einen Verstoß nach § 4 Ziffer 11 UWG darstellt. Es handelt sich um eine Informationspflicht im Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern und damit um eine Marktverhaltensregelung. Marktverhaltensregeln sind Vorschriften im Sinne von § 4 Ziffer 11 (vgl. Köhler/Bornkamm a. a. O. § 4 Rnr. 11.169 zu § 5 TMG). Dass nach erfolgter bmahnung ein Impressum im Facebookauftritt der Beklagten vorhanden ist, beseitigt die Wiederholungsgefahr nicht. Diese kann nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden. Diese hatte die Beklagte jedoch nicht abgegeben. Eine Rechtsmißbräuchlichkeit der Abmahnung konnte das Landgericht Regensburg nicht feststellen und hat sich mit seiner Meinung dem OLG Frankfurt vom 14.12.2006 U 129/06 angeschlossen, wonach "ein Wettbewerber auch eine Vielzahl von Mitbewerbern belangen kann, wenn sich eben eine Vielzahl von Mitbewerbern wettbewerbswidrig verhält." Weiter hat das Landgericht Regensburg ausgeführt, dass zu bedenken ist, "dass Verstöße gegen das UWG nicht von öffentlichen Behörden aufgespürt und verfolgt werden, sondern dass dies den Gewerbetreibenden obliegt. Die Verfolgung steht im Sinne von § 8 Abs. 3 UWG den Mitbewerbern, den rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen und den qualifizierten Einrichtungen im Sinne der Nr. 3 gleichberechtigt zu. Die Abmahntätigkeit der Wettbewerber ist daher systemimmanent."
Beide Verfahren sind dann in die Berufungsinstanz gegangen, in denen ich erneut die Beklagten als Unterbevollmächtigter vor dem OLG Nürnberg vertreten habe. Das OLG Nürnberg hat der systematischen Massenabmahnung durch die, im Vergleich zur Abmahntätigkeit finanziell schwachen Firma, mit Urteilen vom 03.12.2013 - AZ 3 U 348/13 und 3 U 410/13 einen Riegel vorgeschoben.
Das OLG Nürnberg hat, anders als die Vorinstanz eine Rechtsmißbräuchlichkeit der Massenabmahnungen angenommen und die Klagen wegen missbräuchlicher gerichtlicher Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs und damit fehlender Klage- und Prozessführungsbefugnis als unzulässig abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 4 UWG ist die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (BGH GRUR 2000, 1089 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgungen; BGH GRUR 2001, 260 - Vielfachabmahner), wobei das Vorliegen eines Missbrauchs jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zu beurteilen ist.
Die "Abmahnwelle" stand nach Ansicht des OLG Nürnberg in keinem vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit der abmahnenden Firma - sie hat Abmahnungen in großer Zahl ausgesprochen, obwohl sie finanziell schwach war.
Weiteres Indiz für das rechtsmissbräuchliche Verhalten war, dass bis auf die beiden anhängigen Verfahren keinen Unterlassungsanspruch weiter gerichtlich verfolgt wurden und die Verfolgung in den beiden Verfahren erst in die Wege geleitet wurde, als die angeblichen Verletzer ihrerseits negative Feststellungsklagen erhoben hatten. Auch das massenhaft systematische Durchforsten hat das OLG Nürnberg als ein weiteres Indiz für den Rechtsmissbrauch angesehen.
Als weiteres Indiz kommt hinzu, dass die abmahnende Firma an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann. Bei den Verstößen handelt es sich um Formalverstöße. "Dass durch das Unterlassen eines vollständigen Impressums auf der Facebookseite der Abgemahnten der Klägerin nennenswerte Wettbewerbsnachteile entstehen können, ist nicht ersichtlich", führt das OLG Nürnberg in seinen Urteilen aus.
Update 12.06.2014
Die Firma Revolutive Systems GmbH hat beim Amtsgericht Regensburg unter dem Aktenzeichen 4 IN 285/14 selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 30. Mai 2014 die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen des Unternehmens angeordnet. Zuvor war bereits die Website revolutive-systems.com vom Netz genommen worden, berichtet die Mittelbayerische Zeitung unter Berufung auf RA Plute.
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Der Rechtsanwalt Martin Hardes ist Geschäftspartner von G. Schütze.
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